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Veröffentlicht am 18. Dez.. 2023

Zielbestimmung

Inhaltsangabe

Dieser Beitrag basiert auf einem Workshop vom 14.12.2010 zum Thema Nachnutzung / Zielbestimmung. Er wurde im Rahmen des Projektes „Aktionsplan für den nachhaltigen Umgang mit Industriedenkmälern“ am Deutschen Bergbau-Museum Bochum (DBM) organisiert.

Zu Beginn der Nachnutzung einer ehemaligen Industrieanlage stehen die Nachnutzungsüberlegungen. Diese münden in die die Formulierung einer Zielsetzung, sprich eines Erhaltungsziels. Das Erhaltungsziel kann auch in mehrere (Sub-) Ziele aufgeteilt sein. Durch die Festlegung eines Erhaltungsziels wird das Industriedenkmal in seiner künftigen materiellen Erscheinung entscheidend geprägt: Alle Erhaltungsmaßnahmen hängen direkt davon ab.

Ein weites Spektrum an Möglichkeiten

Die Auswahl und Festlegung eines bestimmten Erhaltungsziels ergibt sich nicht ohne weiteres aus der Geschichte oder dem aktuellen Zustand des Industriedenkmals. Mögliche Ziele im Erhaltungskontext können prinzipiell zwischen zwei Polen festgelegt werden:

  • Konservierung des Stillstandes (Ruine) oder
  • Reparatur, Renovierung, Sanierung [1].

Zwischen diesen beiden Polen liegt ein weites Spektrum an möglichen Zielen. Die Übergänge sind dabei fließend. In der Praxis beeinflussen bestimmte Faktoren das Erhaltungsziel, wie etwa Restriktionen durch das vorgegebene Budget.

Der Abbruch als Zielbestimmung wird hier nicht diskutiert, weil er zum vollständigen materiellen Verlust des Industriedenkmals führt. In diesen Fällen wird häufig eine sogenannte Abbruchdokumentation angefertigt, damit der Verlust zumindest als Information dokumentiert wird.

In Wechselwirkung mit der Nachnutzung

Nachnutzung und Zielbestimmung von Erhaltungsmaßnahmen stehen in Wechselwirkung zueinander: Erhaltungsziele ermöglichen und beschränken Nutzungen; Nutzungen ermöglichen, erleichtern, erschweren oder verhindern die Umsetzung bestimmter Erhaltungsziele. Die Erhaltungsziele selbst beruhen zum einen auf den zugeschriebenen Denkmaleigenschaften, deren dauerhafter Erhalt damit angestrebt wird, zum anderen auf der (neuen) Funktion eines Denkmals in einem größeren Zusammenhang – hier kann es zu einer „Vergröberung“ der Erhaltungsziele kommen.

Die Notwendigkeit einer Zieldefinition – ein Beispiel

Im folgenden Beispiel soll anhand von Rohrleitungstrassen auf dem Gelände der ehemaligen Kokerei Zollverein gezeigt werden, wie wichtig die Definition von Erhaltungszielen für den weiteren Prozess der Erhaltung ist.

Auf Rohrleitungstrassen treffen alle typischen Merkmale zu, die bei der Erhaltung von Industriedenkmalen Schwierigkeiten bereiten: Große räumliche Ausdehnung, Material- und Strukturvielfalt und Schadstoffbelastung. Hinzu kommt ihre geringe Haltbarkeit in Jahren bemessen, da es sich bei Rohrleitungstrassen im normalen industriellen Nutzungsprozess um außerordentlich kurzlebige Elemente in der Industrieanlage handelt. Der sogenannten Rohrleitungsabschnitt „m“ – ein Abschnitt von vielen anderen Rohrleitungstrassen in der Kokerei Zollverein – ist zum Beispiel 206 Meter lang und hat eine Oberfläche von ca. 9.400 Quadratmeter (Tragwerk und Rohrleitungen).

Die Rohrleitungstrassen sind ein geeignetes Beispiel, da hier verschiedene Ziele formuliert und entsprechende Maßnahmen realisiert wurden. Die unterschiedlichen Konsequenzen können hier gut diskutiert werden:

1. Erhaltungsziel „Entkernen“ (alle Rohre mit kleinem Durchmesser werden entfernt):
Übrig bleibt das Tragewerk und ein paar wenige große Rohre. Die gestaltprägende Wirkung einer mit großen und kleinen Rohren vollgepackten Rohrleitung geht dabei verloren.

Gerüste und Rohrleitungen auf dem Gelände Kokerei Zollverein.

Kokerei Zollverein: Abbildung: Erhaltungsziel „Entkernen“

2. Rückbau, Reparatur oder Rekonstruktion?
Diese Frage stellt sich besonders dann, wenn die ursprünglich in den Rohrleitungen transportierten Medien Schadstoffe beinhalten, die nach Ende der Produktion in den Rohren verbleiben. Die Schadstoffbelastung verursacht schwere Schäden an der Substanz der Rohrleitungen, bei Zerstörung der Rohrwände kann auch die Umwelt geschädigt werden. Der Rückbau dieser geschädigten Rohrleitungen führt zum Verlust der gestaltprägenden Wirkung. Die Reparatur durch Einsetzen neuer Stahlbleche kann aus Kostengründen scheitern. Als kostengünstiger kann sich hier die Rekonstruktion des gesamten Rohres erweisen, dabei geht zwar die ursprüngliche Substanz verloren, die gestaltprägende Erscheinung wird jedoch erhalten.

Rohrleitungswand auf der Kokerei Zollverein mit schweren Schäden, von Schadstoffen zerfressen.

Kokerei Zollverein: Rückbau, Reparatur oder Rekonstruktion? Die Schadstoffbelastung führte zu schweren Schäden an der Substanz bis zu einem Totalverlust der Rohrleitungswand.

3. Ziel „Erhaltung Ist-Zustand“:
Hier wird nicht flächendeckend neu beschichtet. Vielmehr werden die Korrosionsschäden an den Rohrleitungen lediglich durch einen neuen Schutzanstrich partiell repariert. Der Farbton der Reparaturanstriche wird dabei gemäß dem vorgefundenen Bestand nachgemischt. Nicht geschädigte Oberflächen werden nur transparent beschichtet. Geschädigte Rohrisolierungen aus Zinkblech werden ebenfalls nur partiell durch neue Bleche ersetzt, Isoliermatten werden nicht mehr eingebaut um Feuchteschäden zu vermeiden. Die gestaltprägende Wirkung einer kompakt belegten Rohrleitungstrasse wird erhalten.

Rohrleitungstrassen des Kammgebäudes auf der Kokerei Zollverein.

Kokerei Zollverein, Rohrleitungstrasse Kammgebäude: Ziel „Erhaltung Ist-Zustand“

4. Erhaltungsziel „Ruine“:
Der gesamte vorgefundene Bestand mit allen Schäden wird belassen, direkte Eingriffe unterbleiben. Durch die Konstruktion eines Schutzdaches wird die Substanz vor der weiteren direkten Wetterwirkung geschützt. Dieses Ziel kann kostengünstig realisiert werden, aber das Erscheinungsbild beeinträchtigen oder aufgrund der Anlagengröße unmöglich sein.

Technische Geräte auf dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte sind überdacht.

Weltkulturerbe Völklinger Hütte: Erhaltungsziel „Stillstand (Ruine)“

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