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Veröffentlicht am 17. Jan.. 2024

Überprüfung der Standsicherheit von Bauwerken – Vorgehensweise

Inhaltsangabe

Als Reaktion auf die Hinweise der Bauministerkonferenz hat der Verein Deutscher Ingenieure e. V. (VDI) im Februar 2010 die VDI-Richtlinie 6200 „Standsicherheit von Bauwerken – Regelmäßige Überprüfung“ herausgegeben[1]. In dieser definiert der Verein den Anwendungsbereich auf Bauwerke aller Art, abgesehen von Verkehrsbauwerken[2].

Im Zuge der Überprüfung der Standsicherheit geht es auch darum, Aspekte der Dauerhaftigkeit zu betrachten, wie etwa schleichend voranschreitende Zustandsverschlechterungen durch Materialermüdung oder Umwelteinflüsse. Abgesehen von zusätzlichen Überprüfungen durch den Verfügungsberechtigten selbst sind die Überprüfungen durch ausgewiesene Fachleute vorzunehmen, die den hohen fachlichen Anforderungen gerecht werden und über einschlägige Erfahrungen verfügen (s. „Regelmäßige Überprüfungen“).

Die wesentlichen Elemente einer Überprüfung der Standsicherheit von Bauwerken sind nachfolgend beschrieben.

 

Bestandsdokumentation im Bauwerks- / Objektbuch

An dieser Stelle wird die Bestandsdokumentation nur in der für die Standsicherheitsüberprüfung erforderlichen Mindestform behandelt, die ausführliche Dokumentation im denkmalpflegerischen Sinne wird im Menüpunkt Praxix -> Erkunden, Dokumentieren, Planen dargestellt.

Die ARGEBAU empfiehlt, den Bestand in einem Bauwerks- bzw. Objektbuch zu dokumentieren. Sie formuliert dazu: „Eine wesentliche Grundlage für die Überprüfung ist das Vorhalten der wichtigsten Daten und Konstruktionszeichnungen der baulichen Anlage. Hierfür hat sich das Anlegen und Fortführen einer Dokumentation, zum Beispiel eines Bauwerks-/Objektbuches bewährt, in das sich alle tragwerksrelevanten Änderungen und Instandhaltungen sowie alle Überprüfungen eintragen lassen“ (ARGEBAU Hinweise Pkt. 3). Dieser Empfehlung schließen wir uns ausdrücklich an. Eine Hilfestellung bietet hierfür das DBV[3]-Merkblatt Bauwerksbuch (2007).

Folgende Punkte sollten im Bauwerksbuch dokumentiert werden:

  • Übersichtszeichnungen (Grundrisse, Ansichten, Schnitte)
  • Ausführungspläne des Tragwerks, statische Positionspläne samt Fortschreibung bis zum heutigen Zustand sowie Konstruktionsdetails
  • Statische Berechnung samt Baubeschreibung sowie Angaben zu Baugrund, Baustoffen, angewandten Vorschriften und Lastannahmen
  • Genehmigungsunterlagen der Bauaufsicht
  • Bauliche Veränderungen (mit Zeitpunkt)
  • Bisherige Überprüfungen der Standsicherheit
  • Wartungs- und Prüfplan
  • Verweise auf Publikationen

 

Bei vorhandenen älteren Bauwerksbüchern zur Überprüfung der Standsicherheit von Bauwerken müssen die für die Beurteilung erforderlichen Unterlagen bei der Erstüberprüfung gesichtet oder neu erstellt werden. Dabei ist die tragende Bausubstanz geometrisch und qualitativ zu erfassen, die zum Zeitpunkt der Errichtung gültigen Normen und tatsächlichen Materialgüten in die Beurteilung mit einzubeziehen. Ältere Industriebauten weisen häufig Setzrisse auf, daher ist das weitere Setzungsverhalten des Bauwerks zu überwachen. Gegebenenfalls sind darüber hinaus geeignete Messpunkte anzuordnen und einzumessen bzw. Rissmonitore anzubringen.

Bauwerkstypen / -konstruktionen

Bauwerke lassen sich hinsichtlich der Folgen im Schadensfall und ihrer statisch-konstruktiven Durchbildung einteilen. Die möglichen Schadensfolgen der Bauwerke werden in Anlehnung an die Hinweise der ARGEBAU und die DIN EN 1990:2002-10, Anhang B in drei Klassen eingeteilt. Die meisten Industriebauten können der mittleren Kategorie „CC 2“ (CC = Consequences Classes) zugeordnet werden. Darüber hinaus kann eine „Robustheitsklasse“ formuliert werden, die aus der statisch-konstruktiven Durchbildung der Tragstruktur ableitbar ist und ein wesentliches Kriterium für die Festlegung der erforderlichen Überprüfungsmethoden und Zeitintervalle darstellt.

Regelmäßige Überprüfungen

Es werden verschiedene Stufen der Überprüfung unterschieden (Angabe der Zeitintervalle stellen eine Empfehlung gem. CC2 dar, bei stark geschädigten Bauwerken sind diese Fristen zu verkürzen):

  • Begehung durch den Eigentümer / Verfügungsberechtigten alle 2 bis 3 Jahre: Besichtigung des Bauwerks auf offenkundige Mängel oder Schäden. Am Tragwerk sind dies vor allem Verformungen, Schiefstellungen, Risse, Durchfeuchtungen, Ausblühungen, Korrosion oder Schädlingsbefall bei Holz. Dabei ist auch auf weitere Einflüsse – wie eindringende Feuchte, schadhafte Entwässerungen usw. – zu achten, die künftig die Standsicherheit beeinträchtigen könnten [4].
  • Inspektion durch eine fachkundige Person alle 4 bis 5 Jahre: visuelle Überprüfung des Tragwerks ohne Verwendung technischer Prüfhilfsmittel[5].
  • Eingehende Überprüfung durch eine besonders fachkundige Person alle 12 bis 15 Jahre: Wir empfehlen dies als Erst-Überprüfung möglichst schnell nach Übernahme der Industrieanlage. In dieser eingehenden Überprüfung werden alle maßgeblichen Tragwerksteile, auch wenn sie schwer zugänglich sind, handnah[6] (!) im Sinn einer Schwachstellensuche auf Schädigungen hin überprüft. Dabei können stichprobenartige Materialentnahmen mit Feststellung der Materialeigenschaften erforderlich werden.

Außerplanmäßige Überprüfungen sollten nach außergewöhnlichen Einwirkungen vorgenommen werden, wie etwa nach Bergsenkungen, hohem Schnee, extremen Sturmereignissen o. Ä. Außerdem sollte das Bauwerk stets dann überprüft werden, sobald es Anzeichen für neu auftretende Schäden am Bauwerk gibt (z. B. neue Risse).

Alle Überprüfungen sind im Bauwerksbuch zu dokumentieren. Da es bei der Überprüfung der Standsicherheit einer Tragwerkskonstruktion vor allem auf das Erkennen und Beurteilen von Schädigungen ankommt, muss der Überprüfende über gute statische, konstruktive, materialtechnische und bauphysikalische Kenntnisse und Erfahrungen verfügen. Als fachkundige Personen können Architekten und Bauingenieure gelten, die mindestens fünf Jahre einschlägig tätig waren und sich mit vergleichbaren Konstruktionen des Industriebaus auskennen. Als besonders fachkundige Personen zur Ausführung eingehender Überprüfungen gelten Bauingenieure mit mind. zehnjähriger einschlägiger Tätigkeit und Prüfingenieure/Prüfsachverständige für Standsicherheit[7].

Baustoffe

Baustoffe unterliegen Alterungsprozessen, die sowohl vom Werkstoff selbst wie auch von äußeren Lasteinwirkungen und umweltbedingten Einwirkungen abhängen. Die wichtigsten Kenngrößen eines Baustoffes sind Festigkeit, Steifigkeit, Duktilität[8] und sein zeit- und belastungsabhängiges Verhalten.

Eine Verminderung der Festigkeit ist meist Folge von Veränderungen am Gefüge eines Werkstoffs, verknüpft mit einer Verminderung des Elastizitätsmoduls, resultierend in Verformungen. Die Versprödung eines Werkstoffgefüges führt zur Abnahme der Bruchdehnung. Vor einem Versagen treten dann kaum Verformungen auf, die dieses ankündigen[9].

Die Veränderung von Baustoffeigenschaften können teilweise schon aus dem äußeren Erscheinungsbild abgeleitet werden (Abwitterung, Korrosionsprodukte, Risse, Löcher usw.). Zur quantitativen Erfassung können – je nach Material – unterschiedliche zerstörende oder zerstörungsfreie Prüfverfahren[10] angewandt werden, die in der Regel nur von Fachleuten beherrscht werden. Das Bauwerk sollte durch Probenahmen so wenig wie möglich beeinträchtigt werden, ggf. ist daher die Denkmalpflege zu beteiligen.

Einwirkungen auf das Bauwerk

Ein Industriebauwerk kann – neben seinen Eigen- und Nutzlasten – ganz unterschiedlichen Einwirkungen ausgesetzt sein:

  • Lasten von Maschinen, Anlagen, Bunkern und Silos, auch Lasten von Baumaschinen
  • Erd- und Wasserdruck
  • Wind-, Schnee- und Eislasten
  • Temperatur- und Feuchteänderungen, Frost
  • Schwinden und Quellen von Baustoffen
  • Zwang aus Setzungen und Verformungen
  • Beanspruchungen infolge Bauablauf, Vorspannungen usw.
  • Sonstige mechanische und chemische Beanspruchungen
  • Außergewöhnliche Einwirkungen, z. B. durch Havarien, Brand, Erdbeben usw.

Bei stillgelegten Industrieanlagen sind die Lasten eher geringer als in der Betriebszeit, auf Treppen und Bühnen durch Besucherbetrieb aber ggf. höher als während der industriellen Nutzung. Sind zudem Materialschwächungen festzustellen, sind die Einwirkungen durch entsprechende Nutzungsbeschränkungen (z. B. durch Einschränkung der Verkehrslast) zu reduzieren.

Folgerungen aus der Feststellung mangelnder Standsicherheit

Werden Schädigungen der Tragkonstruktion bei Begehung oder Inspektion festgestellt, sollen kurzfristig Experten[13] hinzugezogen und eine zügige Instandsetzung veranlasst werden. Besteht akute Gefahr, ist die Anlage sofort abzusperren. Sollte eine Instandsetzung nicht unmittelbar möglich sein, sind temporäre Sicherungen sinnvoll (Pflichtprogramm). Ein auf erkannte Schwachstellen gerichtetes Monitoring samt Zeitraster für regelmäßige Überprüfung ist zu definieren.

Hinweise für die Planung und Ausführung

Maßnahmen, die über die reine Gefahrenabwehr und präventive Konservierung im engeren Sinn hinausgehen, sind auf Basis der genannten Feststellungen zur aktuellen Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit zu planen. Allerdings fließen – insbesondere beim Denkmal – eine ganze Reihe weiterer Überprüfungen und Untersuchungen mit ein, die im Menütpunkt Praxis -> Erkunden, Dokumentieren, Planen näher dargestellt werden. Der Beitrag enthält überdies weitere Anforderungen an die Objekt- und Tragwerksplanung[14].

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