Pflegeplan
Die Bewirtschaftung von Industriedenkmalen großen Maßstabs ist in der Regel vor allem vom Umfang der jährlichen finanziellen Zuwendungen abhängig und muss flexibel auf die sich dynamisch verändernden (politischen) Rahmenbedingungen reagieren können. Schon für die Beantragung bzw. bei der Verteilung von Finanzmitteln ist der Nachweis eines Pflege- bzw. Managementplans für die bauliche Unterhaltung sehr hilfreich oder wird inzwischen sogar von den Fördermittelgebern zwingend vorausgesetzt.
Vorüberlegungen
Die Aufstellung eines solchen Pflege- oder Managementplans setzt bereits eine Reihe von Weichenstellungen für das Industriedenkmal voraus: So muss beispielsweise darüber befunden worden sein,
- ob die Gesamtheit oder nur Teile des Ensembles langfristig erhalten werden sollen, (mehr Informationen im Artikel Steuerungsmöglichkeiten und der aktiven Planung von Verlust,
- in welchem Umfang eine vor dem Beginn des Bauunterhalts anzusetzende Erstinstandsetzung nötig und finanzierbar ist (mehr in Kostenschätzung– Folgekosten)
- oder welche Objekte überhaupt einer Nachnutzung zugeführt werden können bzw. welche Objekte für eine Nachverwertung prinzipiell ungeeignet sind.
Das Konzept eines Pflegeplans für denkmalgeschützte technische Gebäude und Anlagen verfolgt zunächst das Ziel, einen einmal erreichten Status Quo nach Erstinstandsetzung zu sichern und konsequent so weiter zu entwickeln, dass ein langfristiger Erhalt möglich ist. Um die meist große Zahl von Objekten innerhalb von technischen Großdenkmalen und deren unterschiedliche Anforderungen an einen baulichen Unterhalt strukturieren zu können, ist eine akkurate Zustandsanalyse von grundlegender Bedeutung. Gefährdungen der Standsicherheit oder der Verkehrssicherheit können insbesondere in frei zugänglichen Anlagen nicht toleriert werden, da Gefahrenfreiheit die Grundbedingung für jegliche Art von Bewirtschaftung darstellt (siehe Kapitel „ zugänglich machen“). Daher besteht eine weitere übergeordnete Zielstellung eines Pflegeplans in der kontinuierlichen Behebung aller festgestellten Schäden im Sinne einer denkmalgerechten Sicherung bzw. Erneuerung.
Datensammlung und Dokumentation
Prinzipiell können zur Aufstellung eines Pflegeplans bereits vorliegende industriearchäologische Dokumentationen oder Denkmalbewertungen genutzt, bedarfsorientiert aktualisiert und falls erforderlich um den Aspekt Schadensfeststellung und Schadensbehebung erweitert werden. Ist dabei die Struktur eines Schadenskatasters ohnehin neu aufzusetzen, können weitere Parameter festgelegt werden, die sich in der Praxis der Bauunterhaltung bereits bewährt haben: So sollten für einen schnellen Zugriff alle zentralen Informationen zum Zustand des jeweiligen Objekts dem Schadensbericht vorangestellt werden. Weiterhin kann die Auffindbarkeit der verzeichneten Schäden erleichtert werden, indem die einzelnen Sachverhalte beschrieben, aber auch fotografisch dokumentiert werden. Schließlich sind vor allem große Anlagen in sinnfällige Baugruppen aufzuteilen, so dass diese dann nacheinander abgearbeitet werden können.
Prioritätenplan
Kernstück einer solchen Datensammlung und Handlungsanweisung für den kontinuierlichen Bauunterhalt stellt ein so genannter Prioritätenplan dar. In ihm werden die wichtigsten Informationen objektbezogen und vergleichend einander gegenübergestellt. Hier können Bewertungen zum Zustand der Objekte und ihrer verschiedenen Baugruppen im Hinblick auf die Gefährdungen der Stand- und der Verkehrssicherheit sowie im Hinblick auf die allgemeine Schadhaftigkeit vorgenommen werden. Eine abgestufte Bewertung der Schäden gibt dabei Hinweise auf eine sinnvolle Reihenfolge der Maßnahmen zu ihrer Behebung. Zudem sollten hier Aussagen über eventuell vorhandene Nachnutzungen und einen Zyklus für zukünftige Revisionen hinterlegt werden, insbesondere bei großen und unübersichtlichen Anlagen. Die grafische Aufbereitung einzelner Sachverhalte, z. B. indem Informationen, die Handlungsbedarf erzeugen, mit Signalfarben hervorgehoben werden, ist dabei wünschenswert.
Funktionserweiterungen eines solchen Steuerungsinstruments sind durch den Einsatz digitaler Medien möglich und können beispielsweise als internetbasierte Datenbank eine Arbeitsplattform für alle an der Erhaltung Beteiligten zur Verfügung stellen. Die ständige Aktualisierung und intensive Pflege der gemeinsam genutzten Informationen unterstützt dabei die Konzeptfindung, dient aber zugleich auch der Steigerung des Wirkungsgrades der zur Verfügung stehenden Mittel.
Erhalt und Verlust im Blick
Aus verschiedenen Gründen kann es schließlich notwendig werden, nicht nur den Erhalt des Ganzen, sondern auch den Verlust von Teilen des Denkmals zu betrachten und einem Planungsprozess zu unterziehen. Um eventuell erforderliche Rückbauten oder Entfeinerungen strukturieren zu können, ist ebenfalls die vergleichende Betrachtung von Erhaltungszuständen und prognostizierter Verfallsgeschwindigkeit erforderlich. Hierzu sind die bedrohten Denkmalbestandteile einer zyklischen Revision in Anlehnung an die Wartung von Verkehrsbauwerken zu unterziehen und die gewonnenen Erkenntnisse kontinuierlich in das Pflegewerk einzuarbeiten. Reichen also beispielsweise die verfügbaren finanziellen Mittel nicht aus, um eine umfassende Erhaltung des Denkmals zu ermöglichen, können so dennoch Strategien zur nachhaltigen Verwendung der Ressourcen erarbeitet und anschließend einander vergleichend gegenübergestellt werden. Weiterführend dazu siehe Planung von Verlusten.
Pflegeplan am Beispiel des Landschaftsparks Duisburg-Nord

Übersicht über die Hochofengruppe, Landschaftspark Duisburg-Nord Bildurheberrechte: planinghaus architekten BDA
Am Beispiel des unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Hochofenwerks Duisburg-Meiderich im Landschaftspark Duisburg-Nord können sowohl die Einsatzmöglichkeiten eines Pflegewerks, als auch die Anforderungen an die dynamische Steuerung des Bauunterhalts erläutert werden.
Das Konzept eines Pflegewerks Hochbau für den Landschaftspark Duisburg-Nord entstand in Anlehnung an einen bereits vorhandenen Pflegeplan für die Grünbereiche des Parks sowie aufgrund der Notwendigkeit, den durch die IBA Emscher Park erreichten Status Quo zu sichern und zu entwickeln. Ausgangspunkt war die Verpflichtung, etwa 90 denkmalgeschützte Objekte industrieller Herkunft dauerhaft baulich zu unterhalten.
Um die große Anzahl von Objekten und deren unterschiedliche Anforderungen an einen baulichen Unterhalt strukturieren zu können, war eine akkurate Zustandsanalyse (Bestandserfassung und Bewertung, s. o.) erforderlich. Als Fernziel wurde die Behebung aller festgestellten Schäden im Sinne einer denkmalgerechten Sicherung bzw. Erneuerung festgelegt. Prinzipiell sollte dabei eine bereits 1990 als Grundlage der Unterschutzstellung erarbeitete industriearchäologische Dokumentation und Denkmalbewertung in ihrer Struktur beibehalten, jedoch aktualisiert und um den Aspekt Schadensfeststellung bzw. Schadensbehebung erweitert werden. Die Arbeitsgemeinschaft Büro für Industriearchäologie / planinghaus architekten BDA stellte hierzu in einem ersten Schritt der Fotodokumentation von 1990 eine entsprechende Dokumentation aus dem Jahr 2001 gegenüber. Schon hierdurch ließen sich Veränderungen an der Denkmalsubstanz auf verschiedenen Ebenen feststellen: So waren im Laufe der ersten zehn Jahre der Parkentwicklung ganze Anlagen und Gebäude verloren gegangen, aber auch viele Objekte durch eine neue Nutzung hinsichtlich ihres baulichen Zustands wesentlich verbessert worden. Die spontane oder gezielt angepflanzte Vegetation hatte zudem zu einer erheblichen Veränderung der Freiflächen und des gesamten Erscheinungsbilds geführt.

Lageplan mit der Verortung aller 90 Objekte des Pflegewerks
Für die neu zu entwickelnde Struktur des Schadenskatasters wurden verschiedene Parameter festgelegt: So sollten für einen schnellen Zugriff die zentralen Informationen zum Zustand des jeweiligen Objekts dem Schadensbericht vorangestellt werden. Um die Auffindbarkeit der verzeichneten Schäden zu erleichtern, sollten die einzelnen Sachverhalte beschrieben, aber auch fotografisch dokumentiert werden. Schließlich waren vor allem die großen Objekte in sinnfällige Baugruppen aufzuteilen, die dann jeweils bauteilweise abgearbeitet werden konnten.
Auf diese Weise wurden für die etwa 90 im Landschaftspark vorhandenen denkmalgeschützten Objekte umfangreiche Informationen erarbeitet. Das Kernstück dieser Datensammlung und die schlussendliche Handlungsanweisung stellt der so genannte Prioritätenplan dar, in dem die wichtigsten Informationen objektbezogen und vergleichend zusammengestellt sind. Bewertet wurde der Zustand der Objekte und ihrer verschiedenen Baugruppen im Hinblick auf die Gefährdungen der Stand- und der Verkehrssicherheit sowie auf die allgemeine Schadhaftigkeit. Schäden der Dringlichkeitsstufen I und II wurden dabei im Prioritätenplan explizit verzeichnet. Weiterhin wurden Aussagen über einen sinnvollen Zyklus für zukünftige Revisionen gemacht und Sachverhalte, die unmittelbaren Handlungsbedarf erzeugten, hervorgehoben.

Prioritätenplan als gewichtete Handlungsanweisung für das Pflegwerk Hochbau
Der Prioritätenplan hat sich im Laufe des vergangenen Jahrzehnts zum zentralen Steuerungsinstrument für das Unterhaltsmanagement entwickelt. Diese Feststellung gilt insbesondere für alle bisher nicht nachgenutzten bzw. aufgrund ihrer Beschaffenheit auch nicht nachnutzbaren Objekte. In den Jahren 2005, 2011 und 2014 erfuhr der Prioritätenplan jeweils eine Aktualisierung, in die alle Veränderungen der betrachteten 90 Objekte eingearbeitet wurden. Zudem wurden dezente Funktionserweiterungen hin zu einer internetbasierten Datenbank als Arbeitsplattform für alle an der Erhaltung Beteiligten umgesetzt. Die Aktualisierung und intensive Pflege der gemeinsamen genutzten Informationen unterstützt zum einen die Konzeptfindung, dient aber auch der Steigerung des Wirkungsgrades bei der Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel.