Erfassung, Sanierung und Betrieb der Kanalisation
Wie alle genutzten Flächen sind auch alte Industrieanlagen vollständig kanalisiert. Zwei Entwässerungsverfahren werden dabei auch heute noch häufig aufgefunden: das Misch- und das Trennverfahren. Das Mischverfahren sieht nur einen Kanal vor, der gleichzeitig Schmutzwasser und Niederschlagswasser ableitet und einer kommunalen Abwasserbehandlungsanlage zuführt. Trennverfahren wiederum besitzen voneinander separierte Schmutz- und Regenwasserkanäle. In diesem Fall wird das Niederschlagswasser meist in ein nahegelegenes Oberflächengewässer eingeleitet. Meistens hat das Kanalnetz Schnittstellen mit der Produktionsschiene der Anlage, so kann beispielsweise der Kühlkreislauf einen Überlauf und zu Wartungszwecken eine vollständige Entleerungsmöglichkeit in das Kanalnetz besitzen. Auch können Behälter einen angeflanschten oder abgeschieberten Ablauf besitzen, der im Reinigungsfall geöffnet wird und eine Entleerung in die Kanalisation ermöglicht. Meistens sind Unterlagen, die hierüber Auskunft geben können, nur sehr mühsam auffindbar oder schlicht nicht vorhanden. Die Kanalisation stellt sich zu Beginn der Untersuchungen somit als Black Box dar, die ihre Geheimnisse nur Stück für Stück preisgibt.
Auch nach der Außerbetriebnahme der Produktion muss die Entwässerung sichergestellt werden, solange Abwasser im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) anfällt. Gemäß § 54 WHG ist Abwasser
„das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte Wasser und das bei Trockenwetter zusammen damit abfließende Wasser (Schmutzwasser) und das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten und befestigten Flächen gesammelt abfließende Wasser (Niederschlagswasser)“. (§ 54 WHG)
Die Abwasserbeseitigung regelt § 55.1 WHG:
„Abwasser ist so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird“. (§ 55.1 WHG)
Dies wird im Zuge der Euphorie über das neue Industriedenkmal gerne außer Acht gelassen. Kanäle werden stiefmütterlich behandelt, man sieht sie nicht, sie kosten nur Geld und bringen nichts ein.
Zusätzlich wird aus § 60 WHG (Abwasseranlagen) abgeleitet, dass Abwasseranlagen dicht sein müssen. Weiteres regeln die Wassergesetze der Bundesländer. Der Erfassung und Sanierung der Kanalisation ist also besondere Aufmerksamkeit zu widmen, die nicht unerheblichen Kosten, die hierfür aufzuwenden sind, sind in die laufenden Kosten für den Erhalt der Gesamtanlage einzukalkulieren. Wie man einen Kanalbetrieb sicherstellt, der den Regeln der Technik entspricht, wird im Folgenden aufgezeigt[1].
Bestandserfassung
Das Kanalnetz ist in der Regel die große Unbekannte auf einer industriellen Liegenschaft aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg. Bestandsunterlagen sind häufig nur für Teilbereiche vorhanden, Erweiterungen/Umbauten/Sanierungen wurden meistens nicht erst dokumentiert. Die Bestandserfassung gerät schnell zu einer Aufgabe, die den gesteckten Zeitrahmen sprengt und am Ende häufig nicht einmal ansatzweise den tatsächlichen Umfang des Netzes ermitteln kann.
Bevor ein Vermessungsteam ins Unbekannte geschickt werden kann, muss dessen Einsatz gut vorbereitet werden. Die Bestandserfassung beginnt daher mit einer gründlichen Recherche in den Archiven des Eigentümers, der Kommune (z. B. über Bauakten) und der Aufsichtsbehörden (über Bauanträge, Erlaubnisanträge usw.).
Digitale Erfassung und Nachbearbeitung
Die aufgefundenen Planunterlagen werden anschließend von einem Fachbüro kostengünstig digitalisiert. Die Umwandlung in ein digitales Austauschformat (dwg/dxf/dgn) dient dazu, die Daten anschließend in ein genutztes geographisches Informationssystem (GIS) integrieren und nachbearbeiten zu können. In der Nachbearbeitung werden den digitalen Informationen (Linien, Punkten) entsprechende Layer (Ebenen) zugewiesen und Kanalhaltungen, Schächte und Anschlussleitungen werden in die Kanaldatenbank übernommen.
Kontaktaufnahme mit Wissensnetzwerken
Nach dem Zusammensetzen der gefundenen Planunterlagen zu einer digitalen Grundlage ist es sinnvoll, als nächstes ehemalige Mitarbeitende und Hobbyforschende (im Ruhrgebiet z. B. der Studienkreis Bochumer Bunker e. V.) zu kontaktieren. Diese können oft wertvolle Hinweise geben und das Wissen über den Untergrund somit ausbauen.
Zusätzlich ist Kontakt mit den lokalen Behörden zwecks Einblicks in das Altlastenkataster aufzunehmen. Es ist zu klären, ob es sich um eine Verdachtsfläche handelt oder um eine bestätigte Altlast. Die Einstufung hat Auswirkungen auf die erforderlichen Bauarbeiten im Falle der Sanierung sowie auf den Umgang mit dem anfallenden Niederschlagswasser.
Begehung und Vermessung vor Ort
Sind diese Erkenntnisse in den digitalen Bestandsplan eingeflossen, kann das Resultat vor Ort durch eine Begehung verifiziert werden. Dies geschieht idealerweise zusammen mit dem Vermessungsbüro, das mit der Bestandsvermessung beauftragt wurde. Dieses sollte unbedingt über Erfahrung im Kanalbereich verfügen, da sich die Vorgehensweise grundlegend von der Arbeitsweise in der üblichen Ingenieur-, Landes- und Katastervermessung unterscheidet. Die vermessungstechnische Bestandsaufnahme sollte anhand der Arbeitshilfen Abwasser der Oberfinanzdirektion Hannover vorgenommen werden, um die Weiterbearbeitung zu vereinfachen.
Durch die Vermessung können den im GIS vorhandenen Objekten raumbezogene Daten zugeordnet werden, diese Objekte werden somit georeferenziert. Die Georeferenzierung ermöglicht es, die aus alten Planunterlagen ermittelten Daten in Bezug zu aktuellen Luftbildern und Katasterkarten zu setzen, d. h. einen Bezug zur Realwelt herzustellen.
Gefahrensicherung
Eine Gefahr für Mensch und Umwelt stellen nach Beendigung der Produktion ungeschützte Haufwerke dar. Durch Wind können darin enthaltene Schadstoffe in der Umgebung verteilt werden und den Boden belasten. Niederschläge können Schadstoffe auswaschen. Es ist daher umgehend sicherzustellen, dass derartige Haufwerke fachgerecht abgedeckt werden und dass austretendes Wasser der Schmutz- oder Mischwasserkanalisation zugeführt wird und somit keinesfalls in Oberflächengewässer oder das Grundwasser gelangen kann. Das Material ist vorschriftsmäßig zu entsorgen.
Um einen vollständigen Überblick aller erdverlegten Leitungen zu erhalten, sollte die Bestandserfassung auch Versorgungsleitungen wie Gas, Wasser, Strom und betriebsinterne Medienkanäle umfassen. Ein komplettes Leitungskataster hilft bei Tiefbauarbeiten Zeit und Kosten zu sparen, das Risiko, Leitungen zu beschädigen, wird minimiert.
Der aus den genannten Arbeitsschritten resultierende vorläufige Bestandsplan bildet die Grundlage des nächsten Schrittes, der Zustandserfassung.
Zustandserfassung
Die Erfassung des baulichen und hydraulischen Zustandes des Kanalnetzes ist Voraussetzung für die Sicherstellung der Ziele Standsicherheit, Dichtheit und Betriebssicherheit, die die DWA in ihrem Merkblatt 143-1 3[2] formuliert. Möglich wird das mit der Befahrung des Kanalnetzes mittels Kamera, welche die Bestandserfassung brauchbar ergänzt.
Erfahrungsgemäß erhöht sich die Länge des bekannten Kanalnetzes nach der Kamerabefahrung im Vergleich zur Bestandserfassung um einen Faktor zwischen 1,5 und 3 bezogen auf die Haltungslänge. Die Anschlussleitungen werden bei der Befahrung ohnehin erstmals erfasst.
Da die Zustandserfassung üblicherweise eine Vielzahl bisher unbekannter und oft auch überdeckter Schächte ermittelt, ist eine Nachvermessung unumgänglich. Hierzu sind verdeckte Schächte zunächst freizulegen und zu sichern. Das Hochziehen dieser Schachtbauwerke bis zur Geländeoberkante ist Bestandteil des Sanierungskonzeptes, da erst im Rahmen einer Gesamtkonzeption entschieden werden kann, ob der Schacht saniert werden muss oder gar vollständig zu erneuern ist. Da auch die Kamerabefahrung durch Hindernisse im Kanal manchmal an ihre Grenzen stößt, können Fließwege und Netzstrukturen auch durch Farb- und (bei mit Wasser gefüllten Netzabschnitten) Pumpversuche aufgezeigt werden.
Erst nach der baulichen und hydraulischen Zustandserfassung ist die Bestandsfassung abgeschlossen.
Baulicher Zustand
Nach Meter oder Stunden abrechnen?
Die Zustandserfassung erfordert eine sorgfältige Vorbereitung. Das Leistungsverzeichnis sollte sich an der des Verbandes zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e. V. orientieren. Die Durchführung einer Zustandserfassung auf unbekanntem Terrain kann dabei nicht anhand einer öffentlichen Ausschreibung an den mindestfordernden Bieter vergeben werden. Reinigung und Befahrung werden üblicherweise pro laufendem Meter vergütet, eine Vorgehensweise, die sich auf Liegenschaften mit größtenteils unbekannten Kanalbestand als kontraproduktiv erweisen hat.
Um in einem solchen Fall rentabel arbeiten zu können, ist der Auftragsnehmer gezwungen, die Zustandserfassung bei der kleinsten Verzögerung durch Verzweigungen, Bögen oder andere Hindernisse abzubrechen und die weitere Untersuchung als nicht durchführbar einzustufen. Das Ergebnis ist entsprechend wenig zufriedenstellend, weil unvollständig.
Die nachfolgende Abbildung zeigt einen durch verfestigte Ablagerungen geprägten Schacht. Derartige Ablagerungen sind auch mittels Hochdruckreinigung kaum zu beseitigen. Damit nicht bei jedem Niederschlag Schadstoffe ausgewaschen werden, ist ein Neubau sinnvoll.

Verfestigte Ablagerungen in einem Schacht
Seriöse Unternehmen geben in der Regel bei einer Preisanfrage auf Meterbasis/Stückbasis kein Angebot ab, da Haltungen und Schächte auf Industrieanlagen wenn überhaupt nur schlecht unterhalten wurden. In diesen alten Anlagen stellt ein Zustand wie in dem obenstehenden Bild somit eher die Regel als die Ausnahme dar. Daher ist es einleuchtend, dass bei einem Meterpreis von einem Euro oder weniger die vereinbarte Leistung nicht kostendeckend erbracht werden kann. Eine Angebotsanfrage bei bekannt zuverlässigen Unternehmen in Verbindung mit einer Vergütung auf Stundenbasis hingegen ist nur auf den ersten Blick teuer als die Vergütung auf Meterbasis, da sich der Auftragnehmer auf Stundenbasis in der Regel deutlich engagierter zeigt und ergebnisorientiert arbeitet. Eine intensive Überwachung der Arbeiten durch den Auftraggeber oder seinen Beauftragten trägt ebenfalls viel zu einer erfolgreichen Zustandserfassung bei.

Gefährliche Zustandserfassung
Wie diese Aufnahme zeigt, kann die Zustandserfassung aufgrund des baulichen Zustandes durchaus gefährlich sein. In solchen Fällen ist bei der Arbeitsüberwachung zwingend auf die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften zur Unfallverhütung zu achten.
Die Zustandserfassung von Schachtbauwerken sollte unbedingt mit einer 3-D-Kamera erfolgen, da diese Systeme die beste Sicht auf das gesamte Bauwerk ermöglichen, was für die Sanierungsplanung ein entscheidender Vorteil ist. Bei Haltungen ist der Einsatz der 3D-Technik erst im begehbaren Bereich sinnvoll, da hier die Ausleuchtung herkömmlicher Systeme nicht ausreicht. Die 3D-Technik kann dazu beitragen, Fehler des Untersuchers zu korrigieren (z. B. nicht erfasste Anschlüsse).
Um die Ergebnisse der Untersuchungen auf elektronischem Wege, z. B. mittels GIS, weiterverarbeiten zu können, wird die Dokumentation, d. h. die Bezeichnung aller Schächte, Haltungen, Leitungen und Anschlusspunkte, anhand der Arbeitshilfen Abwasser der Oberfinanzdirektion Hannover empfohlen, die für die Liegenschaften des Bundes aufgestellt wurden. Die Schadenserfassung und Bewertung erfolgt auf der Grundlage des Regelwerkes der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (z. Zt. DWA-M 149), als Datenaustauschformat ist ISYBAU-XML (ISYBAU 2013) zu verwenden.
Hydraulischer Zustand
Eine Zustandserfassung kann nur dann als Grundlage für eine Sanierung dienen, wenn sichergestellt ist, dass das Netz auch hydraulisch den Anforderungen entspricht. So können baulich einwandfreie Kanäle etwa aus hydraulischen Gründen zu erneuern sein oder schadhafte Kanäle müssen gar nicht repariert oder renoviert werden, da sie aus hydraulischen Gründen zu erneuern sind. Daher ist ein Nachweis mit einem instationären (= hydrodynamischen) Modell vorzunehmen (s. DWA-A 118[i][3]) und DIN 1986-100[4])).
Mit diesem Verfahren können zuverlässig die hydraulischen Schwachpunkte aufgezeigt werden, die zwingend in eine Sanierungsplanung einfließen müssen. Bei Liegenschaften mit einer befestigten Fläche von mehr als drei ha ist in NRW das Vorgehen mit der zuständigen Behörde abzustimmen (s. SüwVO Abw[5])).
Der hydraulische Nachweis ermöglicht außerdem die Ermittlung von Einleitungsmengen in die öffentliche Kanalisation oder Wasserläufe, die zu beantragen sind (s. Absatz Kanalbetrieb), auch können erforderliche Retentionsmaßnahmen mit diesem Verfahren kostengünstig dimensioniert werden. In der Regel fallen Retentionsvolumina auf diese Weise geringer aus als nach BWK Merkblatt 3/Merkblatt 7[6]).
Abschließende zusammenfassende Bewertung
Nach der Erfassung und der anschließenden Bewertung des Zustandes der Kanalisation wird ein Sanierungskonzept erstellt, dass neben einer Darstellung des Sanierungsaufwandes eine erste Kostenschätzung für sämtliche erforderlichen Maßnahmen enthält. Dies bildet die Grundlage für die nachfolgende Sanierungsplanung.
Sanierung
Die Kanalsanierung erfordert umfangreiche Vorarbeiten. Die Wahl des optimalen Sanierungsverfahrens hängt stark von der Kenntnis diverser Rahmenbedingungen ab. So sind etwadie Beschaffenheit und der Stand des Grundwassers wichtige Faktoren, die bei Missachtung eine Kostensteigerung zur Folge haben. Darüber hinaus muss im Vorfeld bekannt sein, ob bei einer Kanalerneuerung mit belastetem Boden zu rechnen ist. Vor Beginn der Planungsarbeiten muss also zwingend ein Bodengutachten in Auftrag gegeben werden, das sich mit diesen Fragen beschäftigt.
Ergänzung des vorhandenen Systems
Zur vorschriftsmäßigen Entwässerung einer Liegenschaft kann die Ergänzung des vorhandenen Systems gehören. Beispielsweise kann zur Ableitung von Niederschlagswasser von Dachflächen ein Grundleitungssystem nötig werden, wenn dieses bisher nicht vorhanden war. Auch die Vermaschung einzelner Netzteile kann aus hydraulischen Gründen sinnvoll sein. Die zuständigen Behörden können zudem den Bau von Behandlungs- und Retentionseinrichtungen vor Einleitung in die öffentliche Kanalisation oder
Oberflächengewässer fordern. Solche Maßnahmen stellen einen nicht zu unterschätzenden Kostenfaktor in der Sanierungskonzeption dar.
Sanierungskonzept und Sanierungsplanung
Am Ende der Zustandserfassung ist für jeden Kanal, jeden Schacht und jede Anschlussleitung eine Zustandsbewertung erfolgt und kann in ein Maßnahmenkonzept umgesetzt werden. Nach Sicherstellung der Finanzierung kann die Umsetzung der Konzeption in eine Ausführungsplanung erfolgen. Je nach Höhe der ermittelten Kosten kann eine Verteilung der Maßnahmen auf mehrere Haushaltsjahre (bei größeren Liegenschaften in Abstimmung mit den Behörden) erfolgen. Undichte Schmutz- und Mischwasserkanäle haben bei der Sanierung höchste Priorität. Größere Maßnahmen sollten durch einen zertifizierten Kanalsanierungsberater begleitet werden.
Sanierung alter Kanäle
Im begehbaren Bereich sind regelmäßig gemauerte Profile zu finden, die teilweise mehr als 100 Jahre alt sind. Sie stellen die älteste Bauform im Kanalbau dar. Verwendet wurden Kanalklinker und Zementmörtel als Fugenmaterial (zementgebundene Mörtelfugen). Häufige Mängel sind hier schadhafte Fugen (Korrosion), im Extremfall kann die Standsicherheit des Profils gefährdet sein. Da auch ein derart alter Kanal Bestandteil eines Denkmals sein kann, verbieten sich die in solchen Fällen häufig angewandten Sanierungsverfahren wie Auskleidung mit Kunststoffelementen oder die Anwendung von Schleuderbeton. Die manuelle Fugensanierung ist zwar sehr kostenintensiv, trägt aber zur Erhaltung des charakteristischen Erscheinungsbildes gemauerter Profile bei. Es ist überlegenswert, einen solchen Regenwasserkanal, falls vorhanden, auf einer Länge von rund 2 m zu öffnen und mit Gitterrosten abgedeckt den Besuchern zugänglich zu machen.
Werden Bestandteile des alten Systems für einen vorschriftsmäßigen Kanalbetrieb nicht mehr benötigt, können sie vom Kanalnetz getrennt werden und obliegen nicht mehr der Überwachung und Unterhaltung, sondern sind „nur“ noch stillgelegte Anlagenbestandteile, die erhalten oder aufgegeben werden können.
Niederschlagswasser von Dachflächen
Es ist davon auszugehen, dass die Wasserbehörden eine Versickerung des Niederschlagswassers von (Metall-)Dachflächen wegen der darin enthaltenen Metallionen ablehnen. Auch eine Einleitung in Vorfluter wird ohne Vorbehandlung nicht genehmigt werden. Aus Kostengründen sollte dann, falls möglich, auf die Behandlung verzichtet und das Wasser in öffentliche Mischwasserkanäle eingeleitet werden.
Niederschlagswasser und Altlastenflächen
Hier ist es möglich, dass Behörden zumindest die gezielte Versickerung des Niederschlagswassers untersagen. Das bedeutet, es darf kein Niederschlagswasser von befestigen Flächen auf unbefestigte geleitet werden, um es dort versickern zu lassen. Im schlimmsten Fall müssen alle befestigten Flächen beispielsweise mit Aco-Drain-Rinnen eingefasst werden.
Dichtheitsprüfung
Die Dichtheitsprüfung im Kanalbestand ist zurzeit ein umstrittenes Thema. Auch wenn es unstrittig ist, das ein dem Stand der Technik entsprechender Kanal dicht zu sein hat, unterliegt die Dichtheit der Grundstücksentwässerung keiner bundeseinheitlichen Regelung. Für jedes Bundesland gilt folglich ein eigenes Landeswassergesetzes, für Nordrhein-Westfalen zum Beispiel siehe Fußnote[7]. Als Betreiber einer Kanalisation sollte man sich jedoch darüber im Klaren sein, dass aus undichten Schmutz- und Mischwasserkanälen Abwasser exfiltrieren und das Grundwasser somit beinträchtigen kann. Auch Fahrlässigkeit kann gemäß § 324 StGB[8] mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden. Daher sollten die Verantwortlichen im Interesse der Allgemeinheit sowie auch im eigenen Interesse dafür sorgen, dass Schmutz- und Mischwasserkanäle in ihrem Zuständigkeitsbereich dicht sind. Undichte Regenwasserkanäle sind bei wenig bis unbelastetem Niederschlagswasser als nachrangig anzusehen.
Nach Abschluss der Kanalsanierung entspricht das Netz den gesetzlichen Anforderungen. Nun ist noch der Betrieb des Netzes zu regeln.
Kanalbetrieb
Der gesetzeskonforme Kanalbetrieb erfolgt auf der Grundlage der Bundesgesetzgebung als Rahmengesetzgebung und der länderspezifischen Gesetze und Verordnungen als Detailgesetze. Hinzu kommen die kommunalen Vorschriften, die in der jeweiligen Entwässerungssatzung enthalten sind. Eine Übersicht über die zu beachtenden Gesetze und Regelwerke des Bundes, der Länder, technischer Vereinigungen und der Berufsgenossenschaften für abwassertechnische Anlagen enthält Anhang 11 der Arbeitshilfen Abwasser der OFD Hannover.
In NRW ist bei Liegenschaften mit einer befestigten Fläche von mehr als 3 ha die Selbstüberwachungsverordnung Kanal (SüwV Kan NRW) anzuwenden, die detailliert Überwachungsintervalle und das Berichtswesen vorgibt. Eine Fläche dieser Größe ist bei Industrieanlagen schnell erreicht, in diesen Fällen ist der Kanalbetrieb mit den Behörden abzustimmen. Weitere Vorgaben können u. a.
- die Niederschlagswasserversickerung (z. B. auf belasteten Flächen),
- die Einleitung in Oberflächengewässergewässer (qualitative und quantitative Beschränkungen, erlaubnispflichtig),
- die Einleitung in die öffentliche Kanalisation (qualitative und quantitative Beschränkungen),
- oder die Dichtheitsprüfung
betreffen. In diesem Fall sind vom Kanalnetzbetreiber Verantwortliche für den Kanalbetrieb zu benennen, die für den ordnungsgemäßen Betrieb einschließlich des unvermeidlichen Berichtswesens zuständig sind und den Behörden als Ansprechpartner dienen. In der Regel sind dies die Leiter der technischen Abteilung (z. B. Betriebstechnik). Diese verteilen die zu erledigenden Aufgaben gemäß Selbstüberwachungsverordnung an die ihnen unterstellten Mitarbeiter, verwalten die Arbeitsprotokolle und veranlassen Maßnahmen durch externe Firmen (z. B. Kanalreinigung und Kanaluntersuchung). Als Handbuch oder Betriebsanleitung wird eine Dienst- und Betriebsanweisung erstellt, in welcher geregelt ist, wer was wann wo zu tun hat (s. Anhang 10.2 der Arbeitshilfen Abwasser).
Bei Liegenschaften mit einer befestigten Fläche kleiner als 3 ha muss in NRW weder das Kanalnetz gemäß § 58.1 LWG angezeigt noch eine Dienst- und Betriebsanweisung verfasst werden. Mit dieser entfällt auch das aufwändige Berichtswesen. Es ist lediglich auf einen vorschriftsmäßigen Zustand zu achten, d. h. die Kanäle müssen dicht sein, Einleitungen in Oberflächengewässer müssen von der zuständigen Behörde genehmigt sein und die DIN 1986-100 beachtet werden.
Wenn auf einer Industriefläche sowohl ein Museumsbetrieb eingerichtet wird als auch Flächen an private Investoren veräußert werden, ist eine klare Trennung der einzelnen Teile des Kanalnetzes vorzunehmen und auch vertraglich festzuschreiben. Auf dem Gelände sind Hauptsammler vorhanden, in welche einzelne Gebäude, Gebäudekomplexe und befestigte Flächen, z. B. Parkplätze, das anfallende Schmutz- und Niederschlagswasser (soweit nicht versickerungsfähig) einleiten.
Es ist festzulegen, wer den oder die Hauptsammler einschließlich eventuell erforderlicher Behandlungs- und Retentionsanlagen betreibt und damit unterhaltungspflichtig ist. Werden Teilflächen an Investoren verkauft oder verpachtet, sind diese für den gesetzeskonformen Zustand ihrer Entwässerungsanlagen verantwortlich. Ist die Fläche bereits kanalisiert, ist der Zustand bei Übergabe (untersucht/nicht untersucht bzw. saniert/nicht saniert) festzuschreiben. Die Zuständigkeit kann entweder an der Grundstücksgrenze oder am Anschlusspunkt an den Hauptsammler im Straßenkörper enden.
An diesem Punkt entspricht der Kanalbetrieb den gesetzlichen Vorgaben und wird Bestandteil der Routinearbeiten des Betriebspersonals.
Endnoten
[1] Eine umfassende Darstellung der Abläufe, der zu beachtenden Gesetze, Erlasse, Verordnungen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften geben die Arbeitshilfen Abwasser der Oberfinanzdirektion Hannover, die für die Liegenschaften des Bundes erstellt wurden.
[2] Merkblatt ATV-DVWK-M 143-1 Sanierung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden, Teil 1: Grundlagen Herausgeber: ATV-DVWK Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (Februar 2015).
[3] Arbeitsblatt DWA-A 118 Hydraulische Bemessung und Nachweis von Entwässerungssystemen, Herausgeber: ATV-DVWK Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.
[4] DIN 1986-100: Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056.
[5] Verordnung zur Selbstüberwachung von Abwasseranlagen – Selbstüberwachungsverordnung Abwasser – SüwVO Abw vom 17.10.2013, auf Grund des § 60 Absatz 2 und des § 61 Absatz 2 des Landeswassergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995 (GV. NRW. S. 926, Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz)
[6] BWK-Merkblatt 3 Ableitung von immissionsorientierten Anforderungen an Misch- und Niederschlagswassereinleitungen unter Berücksichtigung örtlicher Verhältnisse (November 2007) und BWK-Merkblatt 7: Detaillierte Nachweisführung immissionsorientierter Anforderungen an Misch- und Niederschlagswassereinleitungen gemäß BWK-Merkblatt 3 (November 2008), Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau e. V., www.bwk-bund.de, nicht bundeseinheitlich als a.a.R.d.T. eingeführt.
[7] Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeswassergesetz – LWG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995 (GV. NRW. S. 926) zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 8.7.2016 (GV. NRW. S. 618)
[8] Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland, 29. Abschnitt – Straftaten gegen die Umwelt