Bestandserfassung, Dokumentation und Visualisierung
Modellbildung: Grundsätze – Methoden – Werkzeuge
Eine erfolgreiche Sanierung und Erhaltung eines Industriedenkmals braucht genaue Kenntnis sowohl des Bauwerks und seiner charakterisierenden Bauformen als auch des Tragwerks und der Baukonstruktionen sowie der eingesetzten Materialien samt aller Veränderungen und aufgetretenen Schäden.
Am Anfang einer Baumaßnahme steht die Informationserfassung. Diese kann durch die Sichtung von Grundrissplänen, Ansichten, Schnitten, Raumbüchern, Fotodokumentationen oder Bauteilkatastern oder aber durch Archivrecherche und Bauforschung in vielfältiger Form erfolgen. Über den gesamten Verlauf des Bauprozesses und der späteren Instandhaltung muss sie erweitert, ergänzt und ggf. korrigiert werden.
Sämtliche Aufgabenbereiche benötigen eine geometrische Modellbildung zur übersichtlichen Darstellung. Diese Darstellung des Baukörpers in einem Modell kann dabei von der Handskizze bis zum 3D-CAAD-Modell reichen. Wichtig ist, dass die Detailtiefe und Genauigkeit (und damit der Aufwand) sind der jeweiligen Aufgabe angepasst werden.
Die Zustandsfeststellungen („Schäden“) werden dann in Befund-Berichten und möglichst anhand eines Modells kartiert. Alle weiteren Befunde werden dazu in Bezug gesetzt.
Schritte
- Inventarisation: Vor der Bestandsaufnahme und Dokumentation der einzelnen Baukörper und Anlagenteile muss bei einer größeren industriellen Anlage eine zumindest einfache Inventarisation stehen (Benennung und Nummerierung der Funktionsbauten und Anlagen, Einzeichnen in Lageplan). Auf der Ebene des Einzelobjekts umfasst die Inventarisierung die Erhebung und möglichst auch die Benennung (und zumindest schematische Einzeichnung) von Maschinen und Anlagenteilen sowie ggf. sonstiger Ausstattung (Raumbuch). Eine englischsprachige Publikation zur umfassenden Dokumentation von Industrieanlagen (Documenting Industry – How and Why?) steht im Internet zum kostenfreien Download zur Verfügung.
- Bestandsaufnahme und -analyse bezüglich Standsicherheit [VDI-Richtlinie 6200] (inkl. notwendiger Werkstoffuntersuchungen bezüglich Festigkeit, Schweißbarkeit usw.)
- In Ergänzung zu 2.) die Bestandsaufnahme zur Verkehrssicherheit (z. B. Stege, Treppen, Plattformen als Inspektionswege und ggf. Besucherwege; Gefahr durch herabfallende Teile der Sekundärkonstruktion, Rohrleitungsummantelungen, Befestigungsmittel usw.) sowie zur Dauerhaftigkeit (auch Dokumentation „schleichend voranschreitender Zustandsverschlechterungen“ wie z. B. Schäden an Natursteinen, Beton).
Info
In Österreich existiert seit 2015 eine Norm (ÖNORM A 6250-2:2015 „Aufnahme und Dokumentation von Bauwerken und Außenanlagen“), deren Teil 2 die Bestands- und Bauaufnahme von denkmalgeschützten Objekten zum Inhalt hat.
Von CEN TC 346 wurden zum Thema Bestandserfassung zwei europäische Normen veröffentlicht:
- Erhaltung des kulturellen Erbes – Zustandsaufnahme an beweglichem Kulturerbe; Deutsche Fassung EN 16095:2012
- Erhaltung des kulturellen Erbes – Zustandserhebung und Bericht für das gebaute Kulturerbe; Deutsche Fassung EN 16096:2012
Erkundungsmethoden des physischen Zustands
Es gibt eine Vielzahl von Erkundungsmethoden des physischen Zustands. Sie reichen vom nicht-invasiven Messen (z. B. von Materialstärken, Beschichtungen, Härte, Feuchtigkeit) bis hin zu invasiven – und damit in gewissem Umfang zerstörenden – Methoden (z. B. Abschlagen von Putzschichten, Herausstemmen von Steinen, Ziehen von Bohrkernen u. ä.).. Manchmal müssen Proben verwendeter Baumaterialien entnommen werden, um Materialeigenschaften im Labor testen zu können (z. B. Materialeigenschaften wie Zugfestigkeit, Schweißbarkeit oder Sprödbrüchigkeit bei Stahl).

Riss-Monitor im Einsatz
Die qualitativen und quantitativen Veränderungen von Rissen lassen sich mit Langzeitbeobachtungen, z. B. mit Hilfe von sog. Rissmonitoren, nachvollziehen.
Zur Frage „Was ist eine notwendige Untersuchung?“ zwei Präsentationen als Download unten auf dieser Seite:
- Allgemeine Einführung in ein weites Feld
- Untersuchungen zum Materialzustand
Beide Präsentationen wurden gehalten im Rahmen von „Aktionsplan für den nachhaltigen Umgang mit Industriedenkmälern“; Workshop 3: „Erfassung und Bewertung des Zustandes eines Industriedenkmals – Intention, Planung und Umsetzung“. Bochum, 8. Februar 2011.